Intersektionale Diskriminierung verstehen und bekämpfen

Das Projekt "Your Opinion is my Reality! - Intersektionale Diskriminierung verstehen und bekämpfen!" ist im Dezember 2023 gestartet. Es beinhaltet eine hochschulweite Awarenesskampagne sowie eine Lehr- und Veranstaltungsreihe.

Im Rahmen des Projekts wird die starre Konstruktion von Geschlecht und die damit einhergehende Diskriminierung, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts erfahren, kritisch hinterfragt. Was passiert, wenn wir Geschlechtsdiskriminierung intersektional betrachten? Wie beeinflussen andere Lebensrealitäten und Diskriminierungserfahrungen die Wahrnehmung und den Umgang mit Geschlechterungleichheiten?

"Your Opinion is my Reality" bietet eine Plattform für Mitglieder der Ruhr-Universität Bochum, um sich mit intersektionaler Diskriminierung auseinanderzusetzen. Diese Veranstaltungsreihe, die auch im Optionalbereich verankert ist, lädt alle Interessierten dazu ein, sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen und ein vertieftes Verständnis für die Vielschichtigkeit von Diskriminierungserfahrungen zu entwickeln.

Neben der Veranstaltungsreihe integriert das Projekt "Your Opinion is my Reality" auch gezielte Vernetzungsangebote sowie eine Awarenesskampagne. Diese ergänzenden Elemente sollen dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die Intersektionalität von Geschlechtsdiskriminierung zu fördern und die damit verbundenen Herausforderungen gemeinsam zu adressieren. Durch die intersektionale Perspektive auf Geschlechtsdiskriminierung soll verdeutlicht werden, dass Geschlecht nicht in starren Kategorien existiert, sondern vielmehr durch eine Vielzahl von Faktoren geprägt wird. Diese Faktoren können sich überlappen und miteinander verflechten, was zu unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen führt.

Was ist... Klassismus?

Klassismus bezeichnet idie Diskriminierung, Benachteiligung und Herabwürdigung von Individuen oder Gruppen aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder ökonomischen Position. Er manifestiert sich sowohl in individuellen Vorurteilen und Stereotypen als auch in strukturellen und institutionellen Formen der Ungleichbehandlung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nennt die soziale Herkunft und Position nicht als Diskriminierungsdimension, die Antidiskriminierungsrichtlinie der Ruhr-Universität Bochum hat diese Kategorie hingegen aufgenommen.

Klassismus beeinflusst den Zugang zu Ressourcen wie u.a. Bildung, Arbeit oder Wohnraum und trägt zur Reproduktion sozialer Hierarchien bei. Diese Mechanismen sind oft unsichtbar und tief in gesellschaftlichen Institutionen verankert. Kulturelle Praktiken, Sprache und Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion und Aufrechterhaltung von Klassenunterschieden. Klassistische Darstellungen in Literatur, Film und Kunst tragen zur Normalisierung von Ungleichheit bei.

Es gibt auch Kritik am Klassismusbegriff. Darunter fällt z.B. der Vorwurf, dass es sich beim Begriff um eine bloße "identitätspolitische" Kategorie handeln würde und dass das Verständnis vom Begriff zu unscharf ist und daher zur Zersplitterung von Klassenkämpfen führen kann. Es sei daher wichtig, dass sich antiklassistische Akteur*innen nicht bloß mit diskriminierender Sprache oder Kultur auseinandersetzen, sondern materieller Armut und Ausbeitung stärker in den Blick nehmen.

Intersektionale Überschneidungen verdeutlichen, dass Klassismus selten isoliert auftritt, sondern sich häufig mit anderen Formen der Diskriminierung überschneidet. Diese Intersektionen führen zu einer kumulativen Benachteiligung, die besonders marginalisierte Gruppen in mehrfacher Hinsicht betrifft. Beispielsweise erleben Frauen aus niedrigen sozialen Schichten oft eine doppelte Diskriminierung aufgrund von Sexismus und Klassismus, während migrantische oder rassifizierte Personen zusätzlich von rassistischen Strukturen betroffen sind.

Was ist... Antisemitismus?

Antisemitismus bezeichnet die feindliche Haltung und Diskriminierung gegenüber jüdischen Menschen, die sich in verschiedenen historischen und sozialen Kontexten manifestiert hat. Zwei wesentliche Formen dieser Feindseligkeit sind der Antijudaismus und der moderne Antisemitismus, wobei beide zwar miteinander verknüpft sind, sich jedoch in ihren Ursprüngen und Ausprägungen unterscheiden.

Antijudaismus ist die religiös begründete Feindseligkeit, die das Christentum von seinen frühen Anfängen an begleitete. Er beruht auf der Vorstellung, dass das Judentum eine falsche oder abweichende religiöse Lehre vertritt, und äußert sich in der Ablehnung jüdischer religiöser Praktiken und Glaubensinhalte. Antijudaismus mündete in massive Ausgrenzung und Verfolgung. Er setzte sich in der Kirchenpolitik des Mittelalters fort und führte schließlich zum modernen Antisemitismus

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der moderne Antisemitismus, der soziale und rassistische Dimensionen integriert. Der Antisemitismus dieser Zeit basierte auf pseudowissenschaftlichen Rassentheorien, die fälschlicherweise behaupteten, dass jüdische Menschen eine biologisch definierte, minderwertige „Rasse“ darstellten. Diese rassistische Interpretation des Antisemitismus führte zu einem systematischen Versuch, jüdische Menschen aufgrund vermeintlich biologischer Merkmale zu diskriminieren und aus der Gesellschaft auszuschließen. Die Nationalsozialisten nahmen diese rassistisch motivierte Form des Antisemitismus und machten sie zur Staatsdoktrin. Sie führten eine systematische und grausame Politik der Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung durch.

Die antisemitische Propaganda der Nationalsozialisten spielte eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung und Legitimation der Diskriminierung. In Medien wie Presse, Film, Theater und Ausstellungen wurden judenfeindliche Stereotype verbreitet. Diese Stereotypen stellten jüdische Menschen als verschlagen, geldgierig und sexuell pervertiert dar und propagierten eine angebliche jüdische Verschwörung zur Weltherrschaft. Diese antisemitische Hetze wurde nicht nur von den Nazis selbst betrieben, sondern fand auch in breiten Teilen der Bevölkerung Unterstützung, die z.B. von der Enteignung jüdischen Eigentums profitierte. Die Verfolgung mündete schließlich in den Holocaust, bei dem nahezu sechs Millionen jüdische Menschen ermordet wurden.

Verschwörungstheorien zeigen auch heute zahlreiche Überschneidungen mit dem Antisemitismus. Viele dieser Erzählungen greifen auf historische antisemitische Stereotype und Vorurteile zurück, indem sie behaupten, jüdische Menschen oder „die jüdische Weltmacht“ hätten geheime Pläne, um die globale Finanzwelt, Medien oder politische Systeme zu kontrollieren. Diese Theorien wiederholen alte antisemitische Narrative, indem sie suggerieren, dass jüdische Menschen in einflussreichen Positionen oder geheimen Netzwerken agieren. In der digitalen Ära verbreiten sich solche Verschwörungstheorien über soziale Medien besonders schnell, was zu einer globalen Verbreitung und Verstärkung von Antisemitismus führt.

Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich die Lage für jüdische Menschen in Deutschland erheblich verschärft. Es gibt einen signifikanten Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland, die allerdings nicht erst seitdem ein Problem darstellen, sondern eine beunruhigende Kontinuität aufweisen. Jüdische Gemeinden und Institutionen sehen sich zunehmend mit Bedrohungen, Angriffen und Hetze konfrontiert. Die gestiegene Zahl an antisemitischen Äußerungen und Gewaltakten, führt zu einer erhöhten Sicherheitslage und verstärktem Schutzbedarf für jüdische Menschen.

Was ist... Queerfeindlichkeit?

Queerfeindlichkeit bezeichnet die Diskriminierung, Ablehnung und Benachteiligung von Menschen, die sich als queer identifizieren oder deren sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität von heteronormativen und cisnormativen Vorstellungen abweichen. Queerfeindlichkeit umfasst ein breites Spektrum an feindseligen Haltungen und Handlungen gegenüber u.a. lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* nichtbinären, inter* und anderen nicht-heteronormativen und nicht-cisnormativen Personen.

Das Wort „queer“ stammt aus dem Englischen und bedeutet ursprünglich „sonderbar“ oder „merkwürdig“. Es wurde anfangs abwertend verwendet, um insbesondere homosexuelle Menschen zu stigmatisieren. Im Zuge der AIDS-Bewegung der 1980er Jahre wurde der Begriff von der queeren Gemeinschaft bewusst zurückerobert und wird heute als Selbstbezeichnung genutzt.

Queerfeindlichkeit kann als Teil eines Systems verstanden werden, das Heteronormativität und Cisnormativität als gesellschaftliche Normen etabliert. Heteronormative und cisnormative Vorstellungen gehen davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt, die biologisch determiniert sind und dass die einzige legitime Form der Sexualität die heterosexuelle Beziehung zwischen einem cisgeschlechtlichen Mann und einer cisgeschlechtlichen Frau ist. Kulturelle Praktiken, Medienrepräsentationen und Sprache spielen eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser Normen und der Marginalisierung von queeren Identitäten. In den sozialen Medien wird Queerfeindlichkeit besonders von rechten, antifeministischen sowie religiös-fundamentalistischen Akteur*innen verbreitet und gefördert. Diese Gruppen neigen dazu, rigide Geschlechterrollen als natürlich und unveränderlich darzustellen, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie das Recht auf Selbstbestimmung abzulehnen und queere Lebensweisen gezielt zu diffamieren. Dies geht bis hin zu offenen Gewaltfantasien gegen queere Menschen.

Intersektionale Überschneidungen zeigen, dass Queerfeindlichkeit häufig mit anderen Formen der Diskriminierung wie Rassismus, Sexismus, Klassismus und Ableismus verwoben ist. Queere Menschen, die auch anderen marginalisierten Gruppen angehören, erleben oft eine verstärkte und vielschichtige Form der Diskriminierung.

Was ist... Fettfeindlichkeit?

Fettfeindlichkeit bezeichnet die Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Menschen aufgrund ihres Körpergewichts oder ihrer Körpergröße. Sie umfasst negative Einstellungen, stereotype Wahrnehmungen und strukturelle Benachteiligungen, die sich gegen mehrgewichtige Personen richten.

Schlankheit oft mit Erfolg, Disziplin und Selbstwertgefühl assoziiert, während Übergewicht mit mangelnder Selbstkontrolle und gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht wird. Diese kulturellen Normen haben sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und wurden durch Medien, Werbung und populäre Kultur verstärkt.


Fettfeindlichkeit kann auch unter die Diskriminierungskategorie Lookismus fallen. Lookismus bezeichnet die Diskriminierung und Vorurteile, die Menschen aufgrund ihres Aussehens erfahren. Dieser Begriff umfasst insbesondere die Benachteiligung von Personen aufgrund ihrer physischen Merkmale, wie Körpergröße, Gewicht, Hautfarbe, Gesichtszüge oder allgemeine Attraktivität.

Was ist... Ableismus?

Ableismus bezeichnet die Diskriminierung, Benachteiligung und gesellschaftliche Marginalisierung von Menschen aufgrund von Behinderungen oder chronischen Erkrankungen. Ableismus kann auch neurodivergente Menschen treffen sowie Menschen, denen Behinderungen oder Erkrankungen zugeschrieben werden. Diese Diskriminierungsform ist sowohl auf individueller Ebene durch Vorurteile und Stereotype als auch auf struktureller und institutioneller Ebene durch ungleiche Zugänge zu Ressourcen und Teilhabemöglichkeiten wirksam.

Ableismus ist eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit. Menschen mit Behinderungen werden häufig durch Barrieren in Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheitsversorgung und sozialem Leben benachteiligt. Diese Barrieren sind nicht nur physischer Natur (wie fehlende Zugänglichkeit), sondern auch institutionell und ideologisch verankert. Ableistische Strukturen sind oft in Gesetzen, Richtlinien und gesellschaftlichen Normen eingebettet, die Menschen mit Behinderungen systematisch ausschließen oder benachteiligen.

Ableismus ist ein kulturell produziertes und reproduziertes Phänomen, das Behinderung als "Abweichung" von einer als normativ verstandenen Körperlichkeit oder Funktionsfähigkeit definiert. Kulturelle Repräsentationen in Medien, Sprache und Alltagspraktiken tragen dazu bei, Behinderung zu stigmatisieren und als Defizit zu konstruieren. Solche Darstellungen verstärken Stereotype, die Menschen mit Behinderungen als weniger wertvoll oder fähig darstellen, und tragen zur sozialen Exklusion bei.

Intersektionale Überschneidungen verdeutlichen, dass Ableismus oft mit anderen Diskriminierungsformen wie Rassismus, Sexismus, Klassismus, und Heteronormativität verknüpft ist. Menschen, die an mehreren Diskriminierungsachsen angesiedelt sind erfahren dadurch Mehrfachdiskriminierung. Diese Intersektionen verstärken die strukturelle Benachteiligung , da multiple Identitäten und Marginalisierungen sich potenzieren können.

Die Veranstaltungsreihe (SoSe24)

16-18 Uhr in HGB30 und auf Zoom

Zum ZoomRaum

Anmeldung bitte mit Vor- und Nachname!

23. April 2024

Von Müttern zu Fetischen: Die Vergeschlechtlichung von Fatness

Luise Demirden

7. Mai 2024

Antislawismus und Sexismus? Eine Bestandsaufnahme

Lisa Jarzynski

28. Mai 2024

Sprachdiskriminierung: Perspektiven aus der feministischen und postkolonialen Linguistik

Prof. Dr. Laura Morgenthaler García

4. Juni 2024

World Café

Ort: TBA, Weitere Infos folgen

11. Juni 2024

Antimuslimischer Rassismus und Geschlechterungleichheit: Bedeutung, Herausforderungen, Strategien

Dr. Asmaa El Idrissi

2. Juli 2024

RomnjaFeminismus: Politisierung der Biographie als Ermächtigungsstrategie und Rassismuskritik (Zoom only)

Prof. Dr. Elizabeta Jonuz

16. Juli 2024

Jenseits von Schuld und Scham – Jüdischer Feminismus und Jüdische Geschlechtlichkeit (Zoom only)

Debora Antmann

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